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 ISLAM IN DEUTSCHLAND
Bavarois Offline




Beiträge: 804

05.09.2007 08:56
Islam in Deutschland - Ein Kulturkampf mit dem Zollstock Antworten


Es geht um Messbares wie die Höhe der Minarette, aber auch um diffuse Ängste und Gefühle: Die Bürger in Köln streiten um den geplanten Bau der großen Moschee.
Von Dirk Graalmann

Manche hören interessiert zu, andere sind in Gedanken versunken, einer gähnt, die Luft ist etwas abgestanden. Nur wenige haben das weiße Häkelkäppchen aufgesetzt, einige tragen Basecaps. Vorne steht der Imam im weißen Gewand, er hält das rituelle Gebet in arabischer Sprache und fasst es dann in holprigem Deutsch zusammen.

An der Wand hinter ihm hängt eine türkische Flagge, an der Stirnseite prangt ein großes Bild der Kaaba in Mekka. Zwischen schmucklosen, mit Eichenpaneelen verkleideten Säulen stehen die Gläubigen, in zehn Reihen von bis zu 50, 60 Männern. Ein Freitagsgebet in der Moschee in Köln-Ehrenfeld.

Knapp 400 Menschen haben sich in diesem ehemaligen Fabrikgebäude versammelt. Es ist ein Provisorium mit Hinterhof-Atmosphäre, verschämt, verbaut, verborgen. An diesem Ort soll bis Ende 2009 eine "repräsentative Großmoschee entstehen". Es ist ein Bauprojekt, doch man könnte gelegentlich meinen, hier würde über die Integration der Muslime entschieden, es tobt ein wahrer Kulturkampf um das Projekt. Auch die Kirchen haben sich nun eingeschaltet.

Das ungute Gefühl des Kardinals

Vor Monaten hatte der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, schon "ein ungutes Gefühl" angesichts des Bauvorhabens eingestanden. Am Freitag hat sich auch der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, geäußert. Unmissverständlich. "Diese Architektur ist schon sehr triumphierend ausgelegt", sagte Schneider. Der Bau solle "nicht so imperial" daherkommen.

Es wird in dieser Debatte wenig über Inhalte gesprochen, über Wege zu einer erfolgreichen Integration. Es geht um Symbole, visuelle Dominanz, die Größe der Kuppel und die Höhe der Minarette. Eine Jury hatte im Architektenwettbewerb den Entwurf des renommierten Kirchenbaumeisters Gottfried Böhm gekürt. Ein Kuppelbau mit 55 Meter hohen Türmen.
Das Preisgericht bestand überwiegend aus Nicht-Muslimen. Die Moschee werde das Stadtbild dominieren, poltern seither die Kritiker. Die Minarette seien höher als der Turm der nahen evangelischen Kirche. Ein Kulturkampf mit dem Zollstock. Gegenüber der Moschee steht das Telekom-Hochhaus, es misst 102 Meter. Daneben ragt der 243 Meter hohe Fernsehturm Colonius empor. Es geht um Gefühle, Fakten gehen im Schlachtenlärm oft unter.

Was Toleranz genannt wird

1984 hatte die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), ein Ableger der türkischen Religionsbehörde, das Gelände gekauft und hier im Kölner Norden ihre Zentrale mit Gebetsraum errichtet. Ein schmuckloser Bau. Deutsche Besucher sind selten hier. "Es war eine große Leistung, dass wir Menschen den Mond betreten haben, aber wir schaffen es nicht, die fünf Schritte zum Nachbarn zu machen", sagt Ditib-Mitarbeiterin Cevriye Güler.

Das klingt wie ein Vorwurf, es könnte auch eine Selbstbezichtigung sein. Denn beide Seiten sind wie angewurzelt stehen geblieben. Mehr als zwei Jahrzehnte lang bestand der Umgang zwischen türkischen Muslimen und Deutschen vor allem aus Schweigen und Missachtung.

Kölner nennen das gern Toleranz. Man weiß nicht viel voneinander. Im Bildungszentrum der Moschee müht man sich stundenweise um Verständigung. In den Klassenräumen stehen sieben, acht alte Tische mit abgewetzten Holzstühlen, durch das Blindglas dringt kaum Licht. 1500 Menschen werden hier jedes Jahr unterrichtet, erzählt Isik Ugurlu, Leiter der Bildungs- und Kulturabteilung der Ditib. Sie bietet Sprachkurse, Computerkurse, Hausaufgabenhilfe. Draußen auf dem asphaltierten Hof ist ein Schild angebracht: "Ballspielen jeglicher Art auf dem gesamten Parkplatz verboten." Das klingt sehr deutsch. Junge Mädchen stehen auf dem Hof, eines trägt Kopftuch und weiße Stilettos, ein anderes hat ein T-Shirt an, auf dem steht: "Kiss me before my boyfriend comes back".

Frauen mit Kopftuch gehören in Köln längst zum Stadtbild, jeder zehnte Einwohner ist Muslim, allein 80 000 Türken leben hier. Ehrenfeld trägt die Fassade eines Multkulti-Stadtteils. Auf der Venloer Straße, der Hauptverkehrsader, herrscht das bunte Sammelsurium solcher Viertel. Da gibt es das gutbürgerliche Restaurant "Haus Scholzen seit 1907", etwas weiter den türkischen "Bem Supermarket", dazwischen Schnellimbisse, Handyläden, Ein-Euro-Shops und Discount-Ketten.

Das Projekt des Oberbürgermeisters

In den Seitenstraßen haben sich Cafés und Clubs eingerichtet. Viele Studenten, Künstler, Akademiker ziehen zu, es ist ein Szeneviertel, Ehrenfeld gilt als hip. Wenn der Neubau steht, wird man die Muslime nicht mehr übersehen, nicht mehr ignorieren können. Sie wollen sich nicht länger verstecken, "auf Augenhöhe sein", wie sie es nennen. Nun stehen sie im Rampenlicht.

Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma, CDU, hat das Moschee-Vorhaben zu seinem Projekt gemacht. "Wenn einer ein Haus baut, bleibt er hier", sagt Schramma. Er zitiert ein Wort des jüdischen Architekten und Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Salomon Korn. Als der es sprach, ging es um das Selbstverständnis deutscher Juden.




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