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 ALLGEMEIN
Bavarois Offline




Beiträge: 804

16.11.2013 01:03
Mittagspause in Algerien Antworten

Nationalgericht aus der Mikrowelle

Von Jonathan Widder

Brauchen Schnellesser amerikanische Imbissketten? Nicht in Algerien, sagt Druckereiassistentin Chahinez Bouchetara: Auch Traditionsgerichte wie Couscous oder Karantika taugen zum Business Lunch. Und algerische Limonade, so alt wie der Eiffelturm, ist preisgekrönt.

Schöner als Oran kann eine Metropole kaum liegen: direkt am Meer, von steil aufragenden Bergzügen gesäumt. Die zweitgrößte Stadt Algeriens wurde Anfang des 16. Jahrhunderts von den Spaniern besetzt, seither wird in den Restaurants am Hafen Paella serviert. Chahinez Bouchetara, 34, passt ganz gut hierher: Mit ihrem knappen, schwarzen Kopftuch und ihren großen, goldenen Ohrringen sieht sie ein bisschen so aus, wie sich viele eine Piratin vorstellen würden.

Tatsächlich verbringt Chahinez den größten Teil ihres Tages am anderen Ende der Stadt, in einem trockenen Gewerbegebiet mit vielen Fabriken und wenig Vegetation. Dort arbeitet sie als Assistentin des Direktors der Imprimerie de l'Ouest, der staatlichen Druckerei Westalgeriens.

Wenn ihre Kollegen um halb eins zum mobilen Imbiss um die Ecke aufbrechen, bleibt Chahinez allein zurück. Sie muss das Telefon hüten. Viel macht ihr das allerdings nicht aus: "Ich habe sowieso keine Lust, ständig dieses Fast Food in mich hineinzustopfen."

Fast Food, das ist für sie Karantika, eine Art salzige Quiche aus Ei und Kichererbsenmehl, die meist in einem Sandwich gegessen wird. Billig, einfach, nahrhaft - und bei den Kollegen beliebt. "Ich will mittags lieber etwas Ordentliches, Selbstgekochtes essen", sagt Chahinez. Ihre Mahlzeiten kocht sie sich deshalb abends zu Hause und wärmt sie am nächsten Tag bei der Arbeit auf. Die Mikrowelle hat sie extra dafür gekauft und ins Büro gestellt. Eine Küche gibt es in der Druckerei nämlich nicht.

Traditionell gibt es in Algerien jeden Freitag Couscous, das Nationalgericht. Unter Couscous versteht man in Algerien allerdings nicht bloß die zerriebenen Kügelchen aus Hartweizengrieß, sondern das komplette Gericht mit Lammfleisch, Kichererbsen und Tomaten, Karotten oder Zucchini.

Ihr habt den Eiffelturm, wir die Limonade

Es gibt unzählige Varianten: Couscous mit Fisch, mit Hühnchen, mit Rindfleisch oder vegetarisch. Mehrere Stunden lang wird alles zusammen in einem speziellen Kochtopf gekocht. Weil man dieses Essen kaum in kleinen Mengen zubereiten kann, bleibt bei Chahinez immer etwas übrig, was sie in den nächsten Tagen zur Arbeit mitnehmen kann. So wird das aufwendige Nationalgericht praktischerweise zum Business Lunch.

Auch bei den übrigen Speisen hält sich die Sekretärin an die Tradition der algerischen Küche. Es gibt eine Menge gegrilltes Fleisch (Lamm, Rind, Hühnchen) oder Merguez, die würzigen, nordafrikanischen Würstchen, meist mit Pommes Frites, Kroketten oder algerischem Fladenbrot. Dazu kommen Suppen wie Harira und Chorba: nahrhafte, würzige Brühen aus Lammfleisch, Kichererbsen und verschiedenen Gemüsesorten, die besonders im Ramadan täglich als Vorspeise serviert werden.

Ein in Deutschland völlig zu Unrecht unbekannter Klassiker ist außerdem die algerische Limonade Hamoud Boualem, erfunden im Jahr 1878 und also noch älter als Coca-Cola. Schmeckt wie eine Mischung aus Zitronenlimonade und Ginger Ale. Auf der Weltausstellung in Paris 1898 wurde das Getränk der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt, zeitgleich mit dem Eiffelturm. Die Jury und das Publikum waren damals begeistert. Hamoud Boualem wurde auf verschiedenen Ausstellungen mit insgesamt 20 Goldmedaillen ausgezeichnet.

"Höchste Zeit, ein bisschen davon nach Deutschland zu bringen", sagt Chahinez und grinst, bevor sie sich wieder dem Büromanagement in ihrer einsam gelegenen Druckerei zuwendet.

KarriereSPIEGEL-Autor Jonathan Widder (Jahrgang 1982) hat in Berlin und Kiew studiert und lebt als freier Journalist in Berlin

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